Tod des leiblichen Elternteils – Was können Stiefeltern gegen die Herausgabe der Kinder unternehmen?
Manche Situationen sind so schrecklich, dass man lieber gar nicht erst darüber nachdenkt. Der Tod des eigenen Partners gehört dazu. Aber gerade bei solchen Dingen lohnt es sich Vorsorge zu betreiben. Vor allem dann, wenn der Partner nicht der leibliche Elternteil aller Kinder ist. Rechtsanwalt Matthias Bergmann erläutert, was Stiefeltern in die Wege leiten müssen, wenn sie die Kinder nach dem Tod des leiblichen Elternteils bei sich behalten möchten.
Vorsorgen durch Vollmachten
Ich habe in anderen Artikeln schon aufgeführt, wie man zu Lebzeiten durch Vollmachten vorsorgen kann. Hier zum Beispiel, oder hier. Auch wenn diese Vollmachten nicht zwingend rechtlich wirksam sind, dokumentieren sie doch den Willen des Verstorbenen und beeinflussen damit ein späteres Verfahren.
Was aber muss man unternehmen, wenn man als Stiefelternteil die Stiefkinder nach dem Tod des leiblichen Elternteils bei sich halten will?
Herausgabe des Kindes – Was heißt das?
Die Situation entsteht, wenn der andere leibliche Elternteil die Kinder nun herausgegeben haben will. Also der Vater oder die Mutter, bei dem das Kind bisher nicht gelebt hat, nun Lebensmittelpunkt des Kindes werden soll. Grundsätzlich muss eine solche Herausgabe auch erfolgen.
Allerdings ist es nicht für jedes Kind auch wirklich gut, wenn es nun zum anderen Elternteil wechselt. Es kann daher eine sogenannte „Verbleibensanordnung“ erfolgen, bei der das Gericht zum Schutze des Kindes verfügt, dass dieses bei dem bisherigen Betreuer bleibt. Das muss nicht zwingend der Stiefelternteil sein, hier können auch Großeltern oder andere Verwandte relevant werden. Vorausgesetzt jedenfalls, dass diese Personen längere Zeit im Haushalt zusammen mit den Kindern gelebt haben.
Was kann ich gegen die Herausgabe unternehmen?
Was also tun? Nun, sobald die Herausnahme droht, sobald also der überlebende leibliche Elternteil zumindest andeutet, die Herausgabe zu verlangen, sollte ein Antrag auf Anordnung des Verbleibens gem. § 1682 BGB zu Gericht gestellt werden. Dazu ist zunächst kein Anwalt nötig, ein Antrag entsprechend der von mir hier erstellten Vorlage kann einfach eingereicht werden.
Allerdings ist dringend zu raten, dass möglichst zügig ein kompetenter Anwalt eingeschaltet wird, der sich mit kindschaftsrechtlichen Verfahren auskennt. Denn der Schutz des Rechtes des leiblichen Elternteils ist grundrechtlich hoch angesetzt und es braucht meist erheblichen argumentativen Aufwand um einen solchen Antrag mit Erfolg durchzufechten.
Jetzt heißt es schnell sein
Wichtig ist vor allem, dass der Antrag schnell eingereicht wird. Die Rechtsprechung verlangt für den Antrag einen unmittelbaren zeitlichen Bezug zur Herausnahme. Sobald also eine Herausnahme auch nur angedeutet wird, sollte der Antrag erfolgen. Sind die Kinder bereits herausgenommen ist ganz besondere Eile nötig, denn wenn der Antrag nicht innerhalb kürzester Zeit anhängig gemacht wird, so ist er mangels engem zeitlichen Bezug unwirksam.
Der Antrag hat Erfolg, wenn durch die Überführung in den Haushalt des leiblichen Elternteils das Wohl des Kindes gefährdet wäre. Das ist eine hohe Schwelle, in der Überführung muss also eine Gefahr für das seelische oder leibliche Wohl des Kindes gegeben sein. Daher sollte ein Antrag auf Verbleibensanordnung auch nur erfolgen, wenn es handfeste Anzeichen dafür gibt, dass die Trennung von der bisherigen sozialen Bezugswelt das Kind massiv negativ beeinflussen würde.
Erst gewissenhaft prüfen, dann beantragen
An dieser Stelle ist es wichtig hervorzuheben, dass die Anordnung des Verbleibens die Ausnahme ist. Ein solcher Antrag sollte nicht ohne gründliches Überlegen gestellt werden und sollte sehr vorsichtig gehandhabt werden. Gerade in der Situation akuter Trauer wird leider oft übersehen, dass die Schwelle zu einer wirklichen Gefahr für das leibliche oder seelische Wohl des Kindes nicht überschritten ist.
Andererseits ist es aber auch legitim im Zweifel einen Antrag zu stellen, um genau diese Frage gerichtlich prüfen zu lassen. Selbst wenn der Antrag aber zur Beschleunigung selbst eingelegt wird empfiehlt es sich, möglichst zügig einen guten und erfahrenen Anwalt ein zu schalten und den Antrag kritisch überprüfen zu lassen.
Matthias Bergmann hat sich auf die Bereiche Sorgerecht und Umgangsrecht, also das Kerngebiet des Familienrechts, spezialisiert. Er kennt die zahlreichen Problematiken und weiß, dass Konflikte nach einer Trennung mit Kind immer hoch emotional sind und von betroffenen Eltern viel Kraft verlangen. Mit seiner Arbeit möchte er Trennungseltern unterstützen, Problemlösungen zu finden und eine zufriedenstellende Gesamtsituation für alle Beteiligten herzustellen. Ich danke ihm sehr für die informativen Gastartikel auf dem Stiefmutterblog. Mehr Informationen über den Rechtsanwalt Matthias Bergmann findet man hier.
Weitere Gast-Artikel von Matthias Bergmann:
- 10 Irrtümer im Umgangs-und Sorgerecht
- Kleines Sorgerecht – Rechte und Pflichten von Stiefeltern
- Tod im Patchwork – Was passiert jetzt mit den Kindern. Vollmachten und Erklärungen
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Foto: stocksnap
Die Frage zur Gefährdung des leiblichen Wohles wäre offen, ob es dem Kind zB schadet, wenn der leibliche Elternteil zB die Herausgabe fordert, die Kinder aber mangels Interesse des Vaters all die Jahre vorher dann einen vollkommen fremden Menschen vor sich haben. Zählt das ausreichend?
Und könnte der Stiefvater auch ohne vorhandene Ehe die Kinder bei sich behalten?