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Ein Vater in Elternzeit – Vorbild oder Ausnahmepapa?

Carsten Brede-Benning ist Gründer des Vätertreffpunkt, eines der größten privaten Väterprojekte im Norden Deutschlands, und er ist ein Ausnahmepapa. Seit zwei Jahren nimmt er Elternzeit.

Sein „Vätertreffpunkt“  beschäftigt sich zwar hauptsächlich mit dem Vatersein, es schauen aber auch viele Mütter und Freunde des Projektes regelmäßig vorbei. Das Ziel seines Projektes ist es, Hilfestellungen und Tipps für Väter im Alltag und in besonderen Situationen zu geben. Immer engagiert, möglichst unverkrampft und auch mit Spaß. Beim Vätertreffpunkt soll die Vereinbarkeit von Beruf und Familie unterstützt werden, damit die Freizeit mit Kind sinnvoll gestaltet werden kann.

Genau wie hier auf dem Stiefmutterblog eine Kontaktliste für Stiefmutter existiert, bietet Carsten beim Vätertreffpunkt zum Beispiel die Möglichkeit für Väter, andere Väter zu kontaktieren, um sich über die (neue) Situation auszutauschen und neue Freunde in ähnlicher Situation zu finden.

Im April 2013 ging er mit 38 Jahren für zweieinhalb Jahre in Elternzeit, vorher hatte er als Handwerksmeister im Außendienst gearbeitet. Immer noch sind Väter in einer längeren Elternzeit ein Ausnahmemodel. Carsten lebt in der Region Hannover, dort werden pro Jahr etwa 9.500 Kinder geboren. Nur etwa 150 dieser Kinder werden für ein Jahr oder länger von einem Vater in Elternzeit betreut.

Er ist also ein rundum interessanter Gesprächspartner für den Stiefmutterblog.

Carsten, Du bist seit April 2013 Vater in Elternzeit. Wie kam es dazu? Wie haben Deine Firma und Dein Umfeld reagiert?

Meine Elternzeit hat verschiedene Gründe. Das Einkommen meiner Frau ist höher als meins und wir haben schon vor der Elternzeit abgesprochen, dass wir unser Kind frühestens mit zwei Jahren in eine Fremdbetreuung geben wollen. Außerdem war die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Position verliert höher als bei mir. Unverständnis im Unternehmen gab es auch, aber mein Arbeitgeber hat sich an die gesetzlichen Vorgaben gehalten. Unverständnis im Alltag begegnet mir häufiger, sowohl von Männern wie auch von Frauen. Anerkennung bekomme ich aber auch, vielleicht sogar mehr als die meisten Frauen.

Wie ändert die Elternzeit einen Mann? Oder ändert es nichts?

Ich denke, die Elternzeit verändert einen Mann. Sie verändert die Einstellung zur Familie, zum Kind, zur Frau und zur Gesellschaft. Die emotionalen Bereiche in den Familienbeziehungen treten stärker in den Vordergrund. Gesellschaftliche Normalität wird hinterfragt. Die Gleichberechtigung wird hinterfragt. Man hat die Gelegenheit seinen Sinn des Lebens ein Stück weit zu definieren. Ich denke, dass diese Entwicklung vom Partner der weiter arbeitet nicht komplett mit getragen werden kann. Das tägliche Hamsterrad dreht sich einfach zu schnell und die Zeit darüber nachzudenken ist fast schon Luxus.

Ich denke, dass sich sowohl Frauen als auch Männer durch die Elternzeit verändern. Sie entwickeln sich in Richtung des Kindes und haben die Möglichkeit eine ganz besonders enge Beziehung aufzubauen. Ein Beispiel hierfür wäre, dass sich unser Nachwuchs nur von mir trösten lässt. Natürlich übernehme ich das gern aber für meine Frau tut es mir in diesen Momenten leid.
Hat die Elternzeit Einfluss auf Eure Beziehung, hat die sich durch die neuen „Rollenmuster“ verändert?
Es fällt mir besonders schwer die Frage der Rollenverteilung zu beantworten. Ich verstehe mich gut mit meiner Frau und als Team funktionieren wir gut, wenn nicht gar überdurchschnittlich. Das heißt aber nicht, dass man vor den Banalitäten des Lebens geschützt ist. Ich habe meine Aufgabe als Hausmann zuerst gerne angenommen. Erst als aus meiner Freiwilligkeit, durch die Verlängerung der Elternzeit, eine Pflicht wurde, musste ich mich wirklich intensiv mit den Mustern beschäftigen.
Und oft sind es die einfachen Dinge, die es mir schwer machen. Ein einfaches Beispiel sind die Dekoration und die Grünpflanzen. Diese zu kaufen, und in der Wohnung zu verteilen, liegt bei meiner Frau. Eigentlich habe ich nichts dagegen, bei mir würden sie nur spärlicher und nicht so pflegeintensiv ausfallen. Nun ist meine Frau der Meinung, dass eben diese Pflege in meinen Bereich fällt, ich aber nicht.

Carsten Brede-Benning

Carsten Brede-Benning

Oder typisch männliche Pflichten, wie das Brötchen holen und den Müll rausbringen, sind bei mir geblieben. Das kann ich natürlich akzeptieren, trotzdem stört es irgendwie mein Gerechtigkeitsempfinden. Ich würde diese Themen von Zeit zu Zeit gerne häufiger ausgiebig diskutieren, versuche aber es zu lassen, und so meine Frau nicht noch zusätzlich zu belasten.
Ich glaube, dass man Kindererziehung in Teilen auch lernen muss, und dass Frauen ab und zu das Gefühl haben diese von Natur aus besser als der Mann zu können. Sie reagieren nicht selten emotional, wenn der Vater in Elternzeit etwas besser weiß. Vielleicht fehlt es dem Vater auch an Fingerspitzengefühl, sein Wissen nicht belehrend an die Partnerin weiter zu geben. Mir sind aber solche Erziehungshinweise auch schon von weiblicher Seite aus begegnet. Dann musste sich der Ehemann auch schon mal ein „So doch nicht“ oder ein „Lass das Kind in Ruhe!“ anhören. Für mich kaum vorstellbar, dass ein Vater in Elternzeit so etwas zur Mutter sagt.
Was vom männlichen Familienernährer schon eher kommt ist vielleicht ein „Gib nicht soviel Geld aus.“ Aber auch als Vater in Elternzeit kann es passieren, dass man sich ein „Das ist mein Geld“ oder ein „Du bist das Wert, was du verdienst“ anhören muss. Das finde ich schlimm, so oder so.
Unter dem Strich: Ein Elternzeitgefühl gibt es nicht. Jedes Paar muss einen passenden Weg finden. Für mich ist bislang vieles sehr gut gelaufen, es gibt aber auch Beispiele wo der Vater am Tag der Elternzeitbeantragung die Kündigung erhalten hat. Dann sieht das alles gleich ganz anders aus.

Wie bekommt Ihr den Alltag und vor allem die Finanzen geregelt?

Meine Frau arbeitet in Vollzeit. Wir haben schon zehn Jahre bevor unser Kind geboren wurde ein Haus gebaut und können mit ihrem Einkommen gut leben. Wir verzichten auf ein zweites Auto und haben auch nur ein Familienhandy, sind also relativ sparsam. Als ich darüber nachgedacht habe, wie lange ich die Elternzeit nehmen soll oder ob ich in Teilzeit wieder anfangen muss, habe ich alles berechnet und bin nach Steuern, Extraauto, Kindergarten usw. auf ein Netto von 400 Euro mehr gekommen. Der Aufwand hierfür wäre eine 30 Stunden Woche plus 5 Stunden Fahrt. Diese 400 Euro verdient meine Frau mehr. Auch wenn ich öfter Angst davor habe den Anschluss im Arbeitsleben zu verlieren.

Entstand Dein Blog eher zufällig oder bewusst. Wie bist Du darauf gekommen und wie waren die Anfänge?

Der Blog entstand zufällig als Beiwerk zu meinem Projekt www.vaetertreffpunkt.de. Dieses habe ich gegründet, weil mir nach einem halben Jahr zu Hause die Decke auf den Kopf gefallen ist und ich einfach keine Väter in Elternzeit – also über zwei Monate – kennengelernt habe. Die gibt es praktisch nicht. Ich schätze den Anteil auf zwei Prozent aller Eltern. Erst als ich mich an die Hebammen und Zeitungen in der Region Hannover gewandt habe, kam der Stein langsam ins Rollen. In der Region Hannover werden pro Jahr übrigens etwa 9.500 Kinder geboren. Etwa 150 davon werden für ein Jahr von ihrem Vater betreut.

Du möchtest auf Deiner Seite Vätertreffpunkt, Väter zusammenbringen. So wie ich im Stiefmutterblog eine Kontaktliste für Stiefmütter habe. Wie läuft das? Wie ist die Resonanz? Wie ist der Austausch mit anderen Vätern? Wie unterscheidet sich das vom Mütter-Austausch?

Die Resonanz ist verhalten aber vorhanden. Scheinbar finden sich Männer erst bei „Problemen“ zusammen. Erst wenn sie aktiv angesprochen werden, denken sie überhaupt über eine solche Möglichkeit nach. Scheinbar ist die Hemmschwelle dafür noch sehr hoch. Ich finde es immer gut, wenn Männer erkennen, dass die eigenen Schwierigkeiten oft auch die der anderen sind. Und man dadurch (meistens auch für sich alleine) eine Haltung zur Beziehung und zur eigenen Familie entwickelt, die das Ziel hat, das Umfeld für die Kinder zu erhalten. Dass also die Herausforderungen die ein Kind für eine Beziehung mit sich bringt, als zu lösende Aufgaben angesehen werden.

Worüber reden Männer in Elternzeit? Über Windeln oder über Business? Gibt es Wettstreits, wessen Kind schon laufen kann o.ä.?

Sowohl als auch. Windeln, Entwicklung und Business sind wichtig. Aber auch Beziehung, Umfeld, Sport und Freizeitmöglichkeiten. Ich glaube, dass die Schnittmenge der Väter in Elternzeit eine andere ist, als die der Mütter in Elternzeit. Häufig sind sie älter und reflektierter als die Mütter. Das Alter der Väter ist durchschnittlich höher, wie auch das der zugehörigen Partnerinnen. Die Frauen hatten durch die späte Elternschaft Zeit, sich beruflich zu entwickeln und besondere Positionen zu erarbeiten.

Was machen Männer in Elternzeit anders als Frauen? Was machen Männer generell mit Kindern anders als Frauen? Du hast auf deiner Seite Spielideen. Spielen Väter anders mit Kindern als Mütter?

Ich glaube, dass Väter konsequenter in der Erziehung sind und Dinge anders erklären. Frauen dagegen sind liebevoller und spielen auch schöner und fantasievoller mit Kindern. Männer versuchen eventuell erklärender, technischer zu spielen (z.B. Dosentelefon). Es liegt aber immer am Elternteil selber, wie viel Kind noch in einem selbst ist. Darum finde ich es auch schöner seinen Nachwuchs etwas früher zu bekommen.

Hast Du Kontakt zu geschiedenen Männern mit Kind? Welche Unterschiede bemerkst Du? Auf manchen Väterseiten von geschiedenen Vätern wird vor einer Wiederheirat gewarnt. Manche Väter sind geradezu verbittert, weil sie nach einer Scheidung ihre Kinder nicht mehr sehen dürfen, aber zahlen müssen. Hast Du Dich mit dem Thema schon einmal befasst?

Ich habe einige „negative“ Väterseiten abonniert, um mir meine Meinung umfassender zu bilden. Du hast Recht, einige Väter sind verbittert. Manche zu Recht, manche aus gekränktem Stolz. Es ist praktisch immer falsch, schwarz und weiß zu sehen. Nicht nur diese Männer und Frauen sind subjektiv, man selber natürlich auch. Unabhängig davon wäre ich auch verbittert, wenn ich meine Kinder nicht mehr sehen dürfte. Wer nicht? Ist schwierig, zu viel Emotionen und auch die Gerechtigkeit liegt immer im Sinne des Betrachters.

Besteht für Dich Reformbedarf im Familienrecht? Wenn ja, welcher Art?

Ich kenne mich mit dem Familienrecht nicht ausreichend aus um hier eine Empfehlung abzugeben. Ich denke lediglich, dass jedes Kind Anrecht auf das Wissen um seine Herkunft hat und auf eine Beziehung zu beiden Elternteilen. Da beides aber fast nur in der – ehemaligen – Familie gerecht zu klären ist, wird hier so glaube ich, durch das Gesetz nur selten empfundene Gerechtigkeit gewährt.

Allerdings habe ich doch eine politische Forderung. Männer sollten den gleichen Kündigungsschutz wie Frauen erhalten, wenn sie in Elternzeit gehen.

Stiefmütter werden in der Gesellschaft meist stiefmütterlich behandelt. Welche Erfahrungen hast Du mit zweiten Frauen? Kennst Du einige persönlich?

Ich kenne einige persönlich und ich weiß um die Aufgabe. Ob Vater und Mutter oder Stiefvater und Stiefmutter, es kommt immer auf den Menschen an. Ich selbst habe weder zu meinem Stiefvater noch zu meiner Stiefmutter die Beziehung oder besser: die Gefühle aufbauen können, wie zu meinen leiblichen Eltern. Ich weiß, dass alle Familienmitglieder eine Stütze sein können, diese aber auch wegreißen können. Es liegt am Menschen, nichts anderes.

Hast Du Austausch mit Mütterblogs und anderen Väterblogs? Welche kannst Du empfehlen? Warum?

Ehrlich gesagt wenig. Ich glaube manchmal das liegt daran, dass das Schreiben schon so viel Zeit fordert, dass das Lesen zu kurz kommt. Wie gesagt, ich habe auch auf Facebook einiges abonniert und das teile ich häufiger. Aber viel mehr ist daraus noch nicht entstanden. Mein Projekt „Vätertreffpunkt“ gibt es ja auch noch im realen Leben und kostet einiges an Zeit. Wir veranstalten regelmäßig Vater-Kind-Frühstücke oder Basteltage oder Spielnachmittage oder z.B. ein Sommerfest. Einige Treffen sind nur für Väter, einige Treffen stehen unter dem Motto Vater-Kind und bei einigen ist es egal, wer vorbeikommt.

Was machst Du, wenn Du wieder arbeitest? Wird es der alte Job oder etwas anderes?

Ich hab ehrlich noch keine Ahnung… Wenn der liebe Gott das will, werde ich im Mai zum zweiten Mal Vater. Es wird also wohl noch etwas so weiter gehen.

Vielen Dank für das Gespräch, weiterhin viel Erfolg mit deinem Blog und alles Gute für den Familienzuwachs!

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  1. […] Ein ausführliches Interview mit Carsten gibt es auf dem Stiefmutterblog von Suse Petermann. […]

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