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Trennungskinder – Pendeln zwischen zwei Welten im kalten Krieg

Grenze des militärischen Bereichs

„Die Kinder pendeln nach wie vor zwischen zwei völlig verschiedenen Welten und zeigen mittlerweile starke Anzeichen einer tiefen, inneren Zerrissenheit… Für mich ist das Gefühl der Hilflosigkeit das Schlimmste. Dabei zusehen zu müssen, wie erwachsene Menschen ihre Kinder fürs ganze Leben beschädigen und nichts tun zu können… Die Zeiten des ständigen Terrors, der Beleidigungen, des aggressiven Streitens scheinen vorüber, jedoch fühlt sich der momentane Waffenstillstand nur unwesentlich besser an.“

Diese und viele andere Sätze aus dem Brief von Franziska haben mich nachdenklich gemacht. Wie geht es Kindern damit, wenn der kalte Krieg im Hintergrund weiter läuft? Und wie findet die Stiefmutter ihren Platz zwischen den Fronten? Wie sortiert sie ihre eigenen Gefühle? Franziska hat mir erlaubt, ihren Brief hier zu veröffentlichen. Lesen Sie selbst.

Liebe Susanne, zunächst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei Dir bedanken. Ich bin in einem Moment auf Dich, Deinen Blog und Dein Buch gestoßen, als ich sehr verzweifelt war und nach einem Rettungsring gesucht habe. In einem der vielen Augenblicke, in denen ich mich hilflos und überfordert gefühlt habe.

Meine Geschichte ähnelt denen, die die Frauen in Deinem Buch und Deinem Blog bereits erzählt haben. Je mehr ich las, umso stärker habe ich mich und meine Situation wiedererkannt. Es hat mich unglaublich beruhigt und in meiner zaghaften Überzeugung bestärkt, dass ich nicht falsch bin und mir auch nicht „noch mehr Mühe geben muss“, wie es mein Mann zwischenzeitlich immer wieder von mir verlangt hat. Meine Geschichte ist eine von vielen und die Tatsache, dass sie nicht einzigartig ist hat mich einfach nur erleichtert.

Mein Mann ist Vater von zwei Töchtern. Ich habe keine eigenen Kinder und gehöre wohl zu den Frauen, denen angesichts der aktuellen Probleme der Wunsch danach gehörig vergangen ist. Kurz nachdem mein Mann sich von seiner Exfrau getrennt hatte, haben wir uns kennengelernt. Wie so viele Frauen bin ich zwar vorsichtig, aber im Nachhinein betrachtet dennoch völlig ahnungslos in die „Patchworkfalle“ hineingetappt.

Damals glaubte ich noch an die Vernunft erwachsener Menschen, den Faktor Zeit sowie den unbedingten Willen von Eltern, für ihre Kinder nur das Beste zu wollen. Nach mittlerweile mehr als zehn Jahren sind meine Wochenendstiefkinder immer noch im Loyalitätskonflikt zwischen Mutter und Vater. Beide Eltern sind nach wie vor nicht in der Lage, durchgehend vernünftig und einig im Blick auf das Wohl ihrer Kinder miteinander zu kommunizieren.

Die Zeiten des ständigen Terrors, der Beleidigungen, des aggressiven Streitens scheinen vorüber, jedoch fühlt sich der momentane Waffenstillstand nur unwesentlich besser an. Zu oft musste sich die jüngste Tochter vor ihrer Mutter dafür rechtfertigen, dass sie mich gern hat und darum auch umarmen möchte. Zu oft mussten die Kinder beweisen, zu wem sie wirklich stehen und wen sie lieben.

Während die Ex meines Mannes jahrelang die eigenen Kinder als Druckmittel gebraucht hat um ihre Vorstellungen des Sorgerechts und des Umgangs durchzusetzen, gemeinsam Erspartes und das gemeinsame Haus in ihren Besitz zu bringen, hat sich mein Mann meist geduckt, um seinen Kindern wenigstens seinerseits keinem unnötigen Druck auszusetzen. Er war nie ein Spaßpapi für das Wochenende, aber man spürt nach wie vor deutlich, dass er der Situation nicht gewachsen ist. Er hätte vieles gern anders gehandhabt, vor allem mehr am Leben seiner Mädchen teilgenommen. Aber er wurde, und ich sowieso, von allem ausgeschlossen so gut es ging.

Für mich als „böse Schlampe“ die angeblich die Ehe zerstört, bzw. deren Rettung durch bloße Anwesenheit verhindert hat, war es angesichts der Umstände nicht leicht, eine Beziehung zu den Kindern meines Mannes aufzubauen. Sie waren immer freundlich und höflich zu mir. Den Satz „Du hast mir gar nichts zu sagen“ habe ich zum Glück nie zu hören bekommen. Wir gehen respektvoll miteinander um, haben uns jedoch nicht allzu viel zu sagen.

Da ist eine Distanz, die einfach zwischen uns steht und die mich nie bekümmert hätte, wenn mein Mann nicht jahrelang versucht hätte, aus uns eine heile Wochenend(patchwork)familie zu machen. Er hat sich sehr gewünscht, dass meine Bindung zu seinen Kindern inniger sein möge. Vielleicht auch deshalb, weil er in mir die „bessere Mutter“ sieht. Meine Einwände, dass ich seine Kinder mag, jedoch nicht liebe, haben ihn lange Zeit regelrecht gekränkt. Wir haben uns oft gestritten und er warf mir dann vor, mich nicht genug zu öffnen und nicht ausreichend auf seine Kinder zuzugehen.

Mein Gefühl, ein Leben zu Dritt zu führen, fremdbestimmt von den Befindlichkeiten seiner Exfrau, hat er lange Zeit als übertrieben abgetan. Für mich ist das Gefühl der Hilflosigkeit das Schlimmste. Dabei zusehen zu müssen, wie erwachsene Menschen ihre Kinder fürs ganze Leben beschädigen und nichts tun zu können. Natürlich habe ich nie ein böses Wort über die Mutter der Kinder in deren Gegenwart fallen lassen, obwohl mir die Kinder regelmäßig erzählten, was auf der anderen Seite – unbekannterweise – über mich berichtet wird.

Klar war ich geduldig und habe in vielen Bereichen an den Wochenenden auch typische „Mutterdienste“ übernommen. Ich habe versucht mich rauszuhalten, wenn ausschließlich die Eltern gefragt waren. Ich wusste immer, dass diese Kinder nicht meine sind, dass unsere Beziehung nur über den Vater besteht und dass, wenn er nicht mehr da wäre, auch unser Beisammensein keine Existenzgrundlage mehr hätte. Darüber bin ich nicht traurig. Als ich meinen Mann kennenlernte stand für mich die Beziehung zu ihm im Fokus. Ich hatte nie den Anspruch darüber hinaus auch noch Kinder dazu zu bekommen. Ich akzeptiere sie als Teil seines Lebens.

Erschütternd waren und sind für mich die menschlichen Abgründe, die im Zusammenhang mit dieser Lebensform sichtbar wurden. Ich möchte über niemanden urteilen. Jedes Verhalten hat Ursachen, verschiedenste Ursachen und man kann einzig und allein zu sich selbst stehen, sich selbst immer wieder hinterfragen und die eigenen Ansichten prüfen.

Wir werden wahrscheinlich keine „Traum(patchwork)familie“ mehr. Meine Versuche der vorsichtigen Kontaktaufnahme mit der Ex wurden von ihrer Seite abgeschmettert. Die Kinder pendeln nach wie vor zwischen zwei völlig verschiedenen Welten und zeigen mittlerweile starke Anzeichen einer tiefen, inneren Zerrissenheit. Sie haben in ihrem Bemühen es allen Erwachsenen recht zu machen vergessen, ihre eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen, eigenständige, selbstbestimmte Persönlichkeiten zu werden. Mutti bekommt das zu hören was sie hören möchte und für Papi gilt das Gleiche. Man spürt ihre Angst vor Verlust und Verlassen werden. Beklemmend, nicht nur für mich. Auch mein Mann macht sich schwere Vorwürfe, ist aber nach wie vor meist kraft- und ratlos.

Liebe Susanne, so viel wollte ich gar nicht schreiben, aber es brodelt unter meiner starken, gefassten Oberfläche schon seit Jahren und ich bewundere Deine Kraft und Initiative, Stiefmüttern Gehör zu verschaffen und eine helfende Hand anzubieten.
Ich möchte nicht nur jammern, es gab auch in den letzten Jahren auch etliche schöne Momente mit den Kindern. Diese Momente festzuhalten ist jedoch sehr schwer, wenn sie durch das Chaos drumherum überlagert und letztendlich ausgelöscht werden.

Meinem Mann habe ich meine Gefühle offenbart: er weiß, dass ich seine Kinder akzeptiere, respektiere und mag. Und dass wahrscheinlich nicht mehr daraus werden wird. Er wird es mir hoffentlich nicht mehr nachtragen. Stiefmutter sein ist angesichts der – wie Du es ausdrückst – Kämpfe an den verschiedensten Fronten wahrlich nichts für Feiglinge. Feige war ich noch nie, ich bin mutig und geduldig. Aber meine Situation in den letzten Jahren hat mich sehr stark gefordert, teilweise auch überfordert. Denn auch in einem weiteren Punkt hast Du definitiv recht: Stiefmuttersein hört nie auf!

Ich danke Dir von ganzem Herzen dass es Dich gibt, freue mich Dich gefunden zu haben und kann Dir versichern, dass Du mein Leben um Einiges leichter gemacht hast.

Franziska

6 Kommentare
  1. Jenny
    Jenny sagte:

    Ich bin hier neu und sehr erfreut über diese Plattform.
    Ich hoffe, dass es nicht zu spät ist hier auf deinen Notfall zu reagieren.
    Ich bin selbst auch sehr in Sorge um meine zwei Stiefkinder.
    Leider weiß ich wenig über deine Situation. Mein Gedanke ist nämlich, dass Du in diesem so gravierenden Fall Hilfe bräuchtest. Wäre vielleicht gut gemeinsam mal zu überlegen, wo und wie Du diese finden könntest.
    Schick das hier msl so los und ggf überlege ich gern mit, wo und wie Du diese fondrn kannst

    Antworten
  2. Soisses
    Soisses sagte:

    „Die Kinder pendeln zwischen zwei völlig verschiedenen Welten“ Liebe Franziska, liebe Susanne, dieser Text spricht mir aus der Seele. Haargenau so sieht die Situation bei uns aus. Einziger Unterschied: Die Kinder wechseln wochenweise zwischen Mutter und Vater. Ich bin jeweils die voller Woche die Ersatzmama/ Stiefmutter. Die Kleinere Sagte schon ab und an mal Mama zu mir… mit der beginnenden Pubertät wurde alles kompliziert und ich berichtete schon einmal darüber das sich die ältere ritzt. Sie erfindet immer neue Schuldige dafür, je nachdem bei welchem Elternteil sie gerade ist. Heute fand ich in ihrem Wäscheschrank einen Geschichte, die sie selbst geschrieben hat. Die Geschichte handelt davon das sie mit Ihrem Vater beim CAI arbeitet. Ihr Vater ihr aber ins Herz gestochen hat und sie den Auftrag erhält. Vater und dessen Frau umzubringen. Die Geschichte beginnt damit : “ liebe Schwester, ich habe es getan , sei nicht traurig“ . Wie schätzt man so etwas ein? Ist das ein Fall für einen Psychologen ? Mein Mann meint es ist reine Phantasie. Ich sehe Verbindungen zur Wirklichkeit. Wie gehe ich damit um?

    Antworten
      • soisses
        soisses sagte:

        … nein. Mein Mann möchte das nicht. Diese Geschichte aber im Schieber mit der Unterwäsche zu legen, könnte auch ein Zeichen an mich sein, da sie weiß das ich ihre Wäsche da einräume.
        Zuerst sollten wohl beide Eltern wissen, welche Gedankenwelt ihre Tochter besucht. Aber beide wollen davon nichts wissen. mir aber macht so etwas Angst.
        Die Geschichte endet mit dem Satz: „In den nächsten 5 Minuten werde ich mir einen Stift in die Arterie stoßen“ .
        Kann es sein das dieses Mädchen in einer Traumwelt lebt , und Ihre Geschichten durchs ritzen in die Wirklichkeit erhebt? Hier sieht keiner das das Mädchen krank ist.

    • soisses
      soisses sagte:

      … schade das Antworten so knapp ausfallen. Mir hilft das nicht weiter ein 15 jähriges Mädchen zu verstehen und Wege zu finden.

      Antworten
      • Susanne Petermann
        Susanne Petermann sagte:

        Liebe Soisses,
        ich kann Dir anbieten, Deinen Hilferuf auf der Pinnwand zu veröffentlichen.
        Liebe Grüße, Susanne

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