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Unbekannt (v)erzogen – warum sich das Kind für Stiefmütter oft fremd anfühlt.

Liebe Community,

heute möchte ich einmal den Finger in die Wunde legen und über Erziehung sprechen. Bei nichts erhitzen sich die Gemüter mehr. Die Bandbreite geht da von der hysterischen Helikopter-Mutter, die die ahnungslose Supermarktverkäuferin am liebsten ins Gefängnis werfen lassen will, weil diese den armen Malm-Sören mit dem puren Gift eines Lollies ganz offensichtlich in Jenseits befördern möchte. Sonst hätte sie ja selbstverständlich einen glutenfreien Biodinkel-Keks angeboten!

Auf der anderen Seite dann die kleine Schakkeline-Schantall, die gerade den anderen Kindern mit der Sandschaufel eins überzieht, während Mutti nur kurz eine Zigarette raucht.

Extrembeispiele. Gewiss! Und was hat das eigentlich mit Stiefmüttern und Patchwork zu tun? Eine ganze Menge, wie ich finde. Denn als Partnerin eines Mannes mit Kindern ist man plötzlich mit „fremder“ Erziehung konfrontiert. Man bekommt ein Kind präsentiert, das in den häufigsten Fällen den Grossteil der Zeit bei der Mutter lebt und dort natürlich auch massgeblich geprägt und erzogen wird. An sich ja gar nichts Schlimmes. Aber es kann sich fremd anfühlen. Bis zu einem gewissen Grad kann man natürlich in seinem eigenen Haushalt Regeln festlegen. Das verstehen Kinder meistens gut – in der Schule gelten auch andere Richtlinien als Zuhause. Alles, was über Regeln des Zusammenlebens hinausgeht, ist jedoch an den wenigen Besuchswochenenden nur sehr schwer zu ändern. Wie geht man aber jetzt damit um, wenn das Kind Tischmanieren hat, dass jedes Ritteressen dagegen wie ein Knigge-Kränzchen wirkt? Besonders als Partnerin?

Ein Patentrezept gibt es nicht. Aber der erste Schritt ist die Situation so anzunehmen, wie sie ist. Zulassen, dass man nicht alles ändern kann und sollte. Meine Erfahrung ist, dass Frauen sich zu Beginn einer Patchworkbeziehung mit viel Engagement und gutem Willen einbringen. Dabei häufig enttäuscht werden und sich zurückziehen. Oder ihre Wut und Ohnmachtsgefühle über die Rahmensituation auf das Kind projizieren. Oder auf den Partner. Und Ärger ist somit vorprogrammiert. Dazu kommt häufig Unbehagen. Man fühlt sich unwohl bei sich Zuhause. Weiss man doch, dass private Details bei der Exfrau des Partners landen. Es hilft, diese Gefühle mit seinem Partner zu besprechen. Dieser muss den Spagat zwischen allen Bedürfnissen schaffen und Brücken bauen. Aber man darf und sollte diese negativen Gefühle auch zulassen. Man darf nicht darin steckenbleiben, sondern konstruktiv zusammen mit dem Partner an Rahmenbedingungen arbeiten, um allen gerecht zu werden. Das ist schwer. Ich kenne Stiefmütter die an sich zweifeln, weil sie das Kind ablehnen, da dieses eine „Mini“ Ausgabe der Exfrau ist. Und sich auch so verhält. Eine ganz schwierige Situation. Aber man muss darüber reden. Auch damit kann man klarkommen. Viele Frauen in Patchworksituationen haben eine sehr hohe Erwartungshaltung an sich selbst. Diese wird auch häufig noch gesellschaftlich geschürt und befeuert. Phrasen wie: „Du wusstest doch vorher, dass er Kinder hat….Du hast Dir das doch so ausgesucht…“ reflektieren die Komplexität vieler Patchworksituationen schlichtweg unzureichend. Es gibt sie natürlich, die happy Patchwork Rama Familien. Und das ist grossartig. Aber keineswegs die Benchmark. Und daher ist es gut, negative Gefühle zu artikulieren und mit dem Partner nach Lösungen zu suchen.

Denn das Besuchskind lebt nicht bei uns. Es wird nicht erzogen von uns und nur ein wenig geprägt. Manchmal hat man Glück mit seinen Besuchskindern, manchmal eben nicht. Die Vielfalt ist so bunt wie das Leben selbst. Deshalb ist es gut, negative Gefühle zu artikulieren, offen damit umzugehen und mit dem Partner nach Lösungen zu suchen. Und wir wollen doch alle im Grunde genommen nur eins, glücklich und zufrieden miteinander leben.

Was sind Eure Erfahrungen? Diskutiert mit uns hier oder in unserem Forum.

Eure Regina

9 Kommentare
  1. Liv
    Liv sagte:

    Liebe Paula,
    ich möchte dir auch auf diesem Weg sagen, dass du nicht alleine mit diesem Gefühl bist. Mir geht es ganz genau so. Anfangs fand ich es schmeichelnd, dass seine Tochter meine Nähe gesucht hat und mit mir kuscheln wollte. Aber nach so viel intensiver Zeit zuhause (wir wohnen seit ca. 2 Jahren zusammen, BK sind jede 2. Woche bei uns) möchte ich das einfach nicht. Die Nähe in der Wohnung reicht mir, so dass es mich wahnsinnig macht, wenn ich dann auch noch ihr körperlich nahe sein muss. Was mir sehr hilft, ist genau dieser Fakt: Sie sind nicht meine Kinder, sie sind sozusagen fremde Kinder, ich muss sie nicht lieben, sondern nur respektieren. Und sie müssen mich respektieren, mein Recht auf Abstand und in Ruhe gelassen werden in der Wohnung. Mein Recht auf einen Rückzugsort, an dem ich meine Batterien aufladen kann. Nur weil die Tochter gerade mal wieder mit ihrem Hundeblick und ihrer Babystimme versucht, sich Aufmerksamkeit zu erschleichen, muss ich da noch lange nicht mitmachen. Das mache ich auch nicht mehr seit ein paar Wochen. Und ich fühle mich endlich wieder zuhause in unserer Wohnung. Mehr Freiraum, auch psychisch. Was ich nur total schrecklich finde, jedes Mal, der Übergang von einer kinderfreien Woche in eine Kinderwoche. Der erste Tag ist immer schrecklich, ich habe eine miese Laune und würde die BK am liebsten an die Wand knallen. Wie sie dann reinstiefeln und laut sind und so megaviel Raum einnehmen. Da würde ich am liebsten ins Schlafzimmer flüchten und mich den ganzen Tag darin einschließen. Kennt ihr das?

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    • Anni47
      Anni47 sagte:

      Liebe Liv,
      mir geht es genau so – das mit dem Schlafzimmer ist im Moment die „Dauersituation“. Es ist schwerer, als ich mir jemals vorgestellt hätte und eine richtige Lösung, wie Du sie schon gefunden hast, habe ich noch nicht. Mein Stiefsohn ist grundsätzlich lieb und unsere Beziehung ok. Nach 7 Jahren regelmäßigen, aber nicht intensiven Vater-Sohn-Kontakts (seine Mutter wollte den Kontakt immer unterbinden und es wurde erst mit der Pubertät wieder enger) ist das frühere BK vor 10 Monaten bei uns eingezogen. Er studiert coronabedingt daheim und ist IMMER DA. Er nimmt die gesamte Wohnung selbstverständlich in Beschlag und ich habe das Gefühl, ich habe keinen Rückzugsort mehr für mich. Wie schaffst Du es, Deinen BK -ohne dass sie sich vor den Kopf gestoßen fühlen- zu sagen, dass Du Deine Ruhe, Privatsphäre oder Abstand benötigst?

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      • Coffeelover
        Coffeelover sagte:

        Liebe Anni
        Ich fühle so mit dir. Das ist auch wirklich mega krass von null auf hundert, dass BK jetzt bei euch dauerhaft wohnt. Das Abgrenzen klappt zwar ganz gut hier momentan, doch dieses schreckliche Schuldgefühl in meinem Kopf bleibt: “ich bin die böse Stiefmutter, die keinen Kontakt will“. Doch Fakt ist, dass es eine sehr undankbare Rolle ist, die wir einnehmen. Deshalb finde ich Abstand und Zeit für uns, vor allem in deiner Situation ehrlich gesagt lebenswichtig. Ich würde mit deinem Freund/Mann reden, ihm dein Bedürfnis nach Raum für dich in der Whg klarmachen. Er hat ja auch entschieden, dass sein Sohn auf einmal bei euch wohnt! Deine Bedürfnisse sind absolut genauso wichtig! Aber ich kämpfe auch gerade z B wieder damit. Habe mich ins Schlafzimmer verzogen und fühle mich dabei irgendwie schuldig. Aber das juckt die BK eh einen feuchten Dreck. Sie schreien im Zimmer immer noch rum, obwohl es schon längst Bettzeit ist. Also trau dich und kämpfe für deine Bedürfnisse! Du schaffst das.

  2. Tanne163
    Tanne163 sagte:

    Ich habe lange gebraucht bis ich mir eingestehen konnte das ich für meine BK nichts empfinde. Vielleicht klingt das jetzt krass aber sie sind mir egal.
    Wie ich die beiden kennen gelernt habe, ist mir als erstes diese Respektlosigkeit gegenüber ihrem Vater aufgefallen. Drauf angesprochen wurde das Thema weg gelacht. Irgendwann haben sich dann meine und seine Kinder kennen gelernt und da kam von meiner kleinen eine deutliche Ansage in die Richtung dass das ja wohl gar nicht geht. Viel gebracht hat es nicht. Aber es hat dem KV gezeigt das es nicht nur mir auffällt.
    Was mich halt stört ist das die beiden so wenig bis gar kein Interesse an ihrem Vater zeigen. Es sei denn man braucht oder will was dann wird sich gemeldet.
    Kaufen wir zusammen ein Auto, kommt ein “ musste das sein? Und wer darf zuerst damit fahren? Seine Antwort war das keiner fährt und darauf der Sohn, warum er nicht erst einmal nicht seine Schulden bezahlt.
    Der KV macht mir einen Antrag, ganz romantisch. Es war so ein schöner Abend. Nächster Tag, Absturz. Was uns denn einfällt das ohne die Kinder zu machen. Riesiges trara und wir beide sauer.
    Die BT behandelt mich mittlerweile als wäre ich Luft aber damit kann ich sehr gut leben.
    Zum Anfang war es halt schwierig meinem Partner ganz direkt zu sagen was mich an seinen Kindern stört. Nachdem das ganze fast wegen seiner Tochter auseinander gegangen wäre und eine gute Freundin der Familie ihm schonungslos die Wahrheit vor den Kopf geknallt hat, sieht er viele Dinge anders. Sie versucht ihn zu manipulieren, hat jahrelang gut funktioniert. Bloß jetzt ist diese blöde Tante da und jetzt läuft das nicht mehr. So was blödes aber auch.
    Ja und seinem Sohn ist alles egal aber wenn es für ihn was rauszuholen gibt, schreit er gleich hier. Aber ansonsten kein Interesse an ihren Mitmenschen. Es wird nicht mal gefragt warum ich bei Geburtstagessen nicht mehr dabei bin, geschweige das mit gratuliert wird.
    Die erste Zeit hat mein Partner noch versucht mit ihnen das Gespräch zu suchen aber so richtig kam das nicht an.
    Es tut mir für meinen Partner leid das so wenig zurück kommt und wenn meine Kinder einen nur halb so guten Vater gehabt hätten, die wären auf ewig dankbar.
    Was für ihn halt komisch ist, das meine Töchter so gar keine Berührungsängste hatten.
    Die drei kommunizieren oftmals auch ohne das ich davon weiß oder unternehmen ganz spontan mal was. Sie mögen sich gerne und ich habe ein schlechtes Gewissen weil mir das bei seinen Kindern absolut nicht gelingt

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  3. Paula
    Paula sagte:

    Hallo zusammen,
    ich bin jetzt 5 Jahre mit meinem Freund zusammen, wollen im Juni heiraten.
    Meine Stieftochter ist jetzt 7 und mir fällt es zunehmend schwer eine Verbindung zu dem Kind „körperlich“ aufzubauen. Sie möchte oftmals mit mir kuscheln wenn sie bei uns ist aber ich kann das einfach nicht. Bin ich deswegen unnormal? Die Anfangszeit der Beziehung war sehr schwer, weil mein Freund noch nicht über die alte Beziehung weg war und ich quasi ihm mitteilte, dass die Beziehung keinen Sinn hat. Er wollte die Beziehung aber weiterführen. Und da sind wir nun.
    Ich habe den Eindruck egal was ich tue…es ist falsch. Wenn ich dann erzieherisch was von mir gebe, bekomme ich noch einen auf den Deckel und wenn ich konter, dass er quasi auch so manchmal handelt, dann wird das abgetan. Ich weiss nicht mehr weiter. Habe den Eindruck, dass die Situation sich immer mehr zuspitzt. Und reden tut er nicht. Das kommt immer nur von mir. -,-

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    • Regina
      Regina sagte:

      Liebe Paula,
      Du bist ganz gewiss gar nicht unnormal deshalb.
      Ich möchte das zum Beispiel auch nicht. Das ist ein fremdes Kind, ich kuschel auch nicht mit den Nachbarskindern. Ich respektiere und akzeptiere das Kind meines Partners, aber lieben muss ich es nicht.
      Ebenso zum Punkt Erziehung. Ich halte mich da raus, solange meine Grenzen bei mir zu Hause gewahrt werden. Das Kind hat Eltern, die für die Erziehung zuständig sind. Wenn mich etwas arg stört, rede ich mit dem KV, er muss das dann klären. Ich äussere meine Meinung, weil ich glaube, dass wir Partnerinnen da einen ganz guten Aussenblick haben und ich setze Grenzen, wenn etwas gar nicht geht. Aber für Erziehung sehe ich mich nicht zuständig.
      Es klingt aber fast so, als ob die Probleme in Eurer Beziehung vielfältiger sind und tiefer liegen.
      Ich darf dich an dieser Stelle auch ganz herzlich in unser Forum einladen, wo du in der Regel gute Blickwinkel aus vielen Perspektiven bekommst. Du bist nicht allein mit den Problemen.

      Antworten
    • martha
      martha sagte:

      Liebe Paula,
      mir geht es ganz genau wie dir. Seine Jüngere sucht immer die Nähe zu mir, was mich anfangs stolz gemacht hat, macht mich jetzt wahnsinnig – und wenn es nur das allabendliche Haareflechten ist. Es ist so viel passiert und ich hab so oft ‚auf den Deckel’ bekommen (rein verbal), mein einziger Schutz ist es, mich zurückzuziehen und innerlich auf Distanz zu gehen. Wie lang das so gut geht und wie sich das entwickelt, ist so natürlich schwierig abzusehen.
      Du bist jedenfalls nicht allein! Der Gedanke ist für mich jedenfalls immer sehr hilfreich.
      Liebe Grüße, Martha

      Antworten
  4. Regina
    Regina sagte:

    Liebe Salifi,
    das ist natürlich von aussen schwer zu beurteilen. Wie alt ist Deine Tochter denn jetzt? Kann Sie überhaupt schon alleine wohnen?

    Antworten
  5. Salifi
    Salifi sagte:

    Hallo zusammen, ich bin sehr traurig und auch am Ende meiner Kräfte und ich habe auch ehrlich gesagt keine Lust mehr. Ich habe vor etwas mehr als drei Jahren meinen Partner kennengelernt, da war meine Tochter 13 Jahre alt, sie wird jetzt im Juni 17. Meines Erachtens nach sind wir ganz gut zurecht gekommen zu dritt, aber jetzt macht sie mir permanent Vorwürfe, sie fühlt sich unwillkommen, wir wollten eh lieber alleine wohnen etc etc. Ich gebe zu, dass dies MITTLERWEILE stimmt. Denn vor etwas über einem Jahr ist sie wirklich völlig anders geworden, pubertär, launisch, biestig, egoistisch und sie lügt auch. Eine Alkoholvergiftung plus Nacht im Krankenhaus hatten wir vor etwas über einem Jahr auch schon. Ich habe das alles irgendwie mit Fassung getragen, auch mein Freund kam seinerzeit mit ins Krankenhaus, wir haben ihr versucht ein schönes Zimmer zu biten, ihr Freund darf bei uns übernachten, ihre Freundin auch, sie bekommt Nachhilfe ist in einer Waldorfschule …ALLES für die Katz, ich bin trotzdem der Arsch und mein Freund auch. Mein Freund hat zwei Kinder mit deiner Exfrau. Sie sehen sich nicht wirklich oft. Ja, ich gebe es zu, weder ich noch mein Freund sind die geborenen Kindertypen, aber ich habe mich wirklich bemüht, habe so gut wie nie Unterstützung vom Kindsvater bekommen, was im Nachhinein auch ok war. Unsere Auffassung zum Leben und zur Erziehung unterscheidet sich doch erheblich. Ich kann und möchte aber nicht mehr für alles der Buhmann sein, mein Freund hat auch seine sozialen Problem, ich auch -im Rahmen unserer Möglichkeiten haben wir aber alles gegeben. Ich kann das auch gar nicht alles in der Detailtiefe schildern. Ich bin sehr müde und ehrlich gesagt denke ich, die Beziehung zu meiner Tochter würde sich hoffentlich verbessern, wenn sie eine eigene Wohnung hätte. Was meint ihr dazu?

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