Messie, Müll und Stiefmütter-Alarm
Als meine Freundin Sally vor gut einem Jahr in ihr neues Haus zog, bekam sie schnell Ärger mit ihrer Nachbarin. Die war ein Messie, hortete in ihrem Garten extrem viel Müll. Vom entsorgten Grill über alte Fahrräder bis hin zu abgelaufenen Lebensmitteln, Kartoffelsalateimern und halb gegessenen Konservendosen. Es sah dort aus, wie auf einer Mülldeponie.
Sally sprach mit ihr, nichts passierte. Sie bot ihr Hilfe an, schlug ihr vor, gemeinsam mit ihr den Garten zu entmüllen, wieder geschah nichts. Sie versuchte zu reden, die Nachbarin schrie sie nur an. Als sie bei ihr klingelte, merkte sie schnell, dass der Garten nur die Spitze des Eisberges war. Im Haus sah es ähnlich aus. Ihr taten die Kinder sehr leid, die in diesem Haus lebten. Sally rief das Ordnungs- und Gesundheitsamt an – nichts passierte.
Irgendwann war sie so erbost, dass sie kaum noch an etwas anderes als den Messie-Haushalt nebenan denken konnte. Als der Hochsommer kam, war es tatsächlich nicht möglich in ihrem Garten zu sitzen, wenn der Wind aus der falschen Richtung kam. Außerdem entwickelte sie eine panische Angst vor Ratten und Mäusen. Trotzdem lud sie die Nachbarskinder ab und an auf eine Grillwurst oder ein Stück Kuchen ein, wenn der Wind aus der richtigen Richtung kam und sie im Garten war. Sie merkte nämlich, dass die nicht immer ausreichend Essen im Haus hatten. Die Nachbarin selbst ließ sich nie blicken.
Alle Menschen in ihrem Umfeld bemitleideten sie, versuchten sie zu unterstützen und ihr zu helfen. Schließlich schaffte sie es, gemeinsam mit anderen Nachbarn und Freunden, so viele Institutionen zu mobilisieren, dass sowohl Gesundheitsamt als auch Ordnungs- und Jugendamt einschritten. Und dann auch richtig gründlich.
Das Jugendamt nahm die Kinder in Obhut, die Nachbarin macht wohl eine Therapie, mehrere Tage war ein Räumungstrupp mit dem Garten und dem Haus beschäftigt. Alle waren sich sicher, sowohl Sally als auch den Kindern und der offensichtlich kranken Nachbarin geholfen zu haben. Letzte Woche rief sie mich an, um mir die frohe Nachricht zu verkünden. Ich fragte sie, wo die Kinder denn nun wären. Beim Vater meinte sie, die Dame vom Amt hätte die Kinder zu ihm gebracht. Mehr wusste sie auch nicht.
Ich habe mir überlegt, was wohl passiert wäre, wenn Sally kein eigenes Haus gekauft hätte, sondern zu einem Mann gezogen wäre, dessen Kinder bei der Ex so leben müssen? Hätte sie die gleiche Unterstützung bekommen?
Vielleicht hätte man ihr bei den Ämtern gesagt, das ginge sie nichts an. Die erste Familie sei schließlich vor ihr da gewesen. (Das war Sallys Messie-Nachbar aber auch). Vielleicht hätte man ihr unterstellt zu übertreiben, weil sie eifersüchtig auf die Ex sei. Wäre sie gehört worden, hätte sie als Next die Ämter gebeten dafür zu sorgen, dass die Kinder beim Vater leben dürfen? Wäre geholfen worden? Oder hätte man ihr gesagt, dass sie die Belange der Ex gar nichts angehen und sie sich dort nicht einzumischen habe?
Eines wäre sicherlich gleich gewesen: Die Ex-Frau selbst hätte sich wohl jeglichen Eingriff in die Müllsituation verbeten – so wie Sallys Messie-Nachbarin ja auch. Wie hätte Sally wohl als Stiefmutter statt als eigenständige Hauskäuferin gehandelt, wie wäre sie behandelt worden? Hätte sie so schnell die gleiche Unterstützung bekommen? Wäre den Kindern so schnell geholfen worden?
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