Die Wochenend-Stiefmutter

Für Stiefmütter stellt sich die Ausgangssituation ihrer Beziehung völlig anders dar als für Stiefväter. Da die Kinder zu neunzig Prozent bei der Mutter ihren Hauptwohnsitz haben, leben nur wenige Vizemütter mit den Kindern. Wenn ihr Partner, der Vater der Kinder, ein Umgangselternteil ist, sieht sie die Kinder in der Regel nur jedes zweite Wochenende.

Das bedeutet natürlich auch, dass sie die zwölf Tage zwischen den Umgangswochenenden als den normalen Alltag empfindet und die Besuchswochenenden als die Ausnahme. Hier liegt eigentlich der größte Unterschied zum Stiefvater. Dem ist absolut bewusst, dass seine neue Partnerin nur mit Kind zu haben ist und er dieses Kind im Alltag durchgehend erlebt. Daher wird er das Kind in seine Überlegungen – pro oder contra Beziehung – sehr aktiv einplanen.

Nicht wenige Stiefmütter blenden die Contra-Punkte beim „Faktor Kind“ dagegen zunächst mehr oder weniger aus. Es sind ja nur zwei Tage. Aber was für welche! Es kann durchaus sein, dass eine Vizemutter einen wunderbaren Paar-Alltag lebt, voller Liebe und Zuneigung, und jedes zweite Wochenende den Katastrophen-Ausnahmezustand. Mit Kindern, die ihr vermitteln, sie hätte überhaupt nichts zu melden, sie meiden, ignorieren oder offen anfeinden und Papa komplett in Beschlag nehmen. Dazu kommt dann, als Sahnehäubchen, ein Partner, der sich auf die Seite seiner Kinder stellt, jede kritische Bemerkung der Vizemutter als Anfeindung und Einmischung sieht.

Er möchte seinen Kindern das Wochenende so schön wie möglich gestalten, geht auf viele Sonderwünsche ein, verwöhnt sie, stellt keine Regeln auf, lässt die „Zügel locker“, um mögliche Konflikte zu umschiffen. Immer mit dem Argument: „Ich sehe sie doch so selten, ich will ihnen doch zeigen, dass ich sie liebe“. Er ordnet die Interessen der Stiefmutter dann den Interessen seiner Kinder unter. Für die Kinder bleiben ihm nur zwei Tage, die will er nicht mit erzieherischen Maßnahmen beschweren. Wahnsinn, oder?

Die Unterstützung, die ein Stiefvater von seiner Frau bekommt, fehlt vielen Stiefmüttern. Während die Mutter Erziehungsgewalt und Autorität an den Stiefvater abgibt – sie erleichtert dadurch ja auch ihren Alltag – reißt der Vater oft alles an sich. Er hat Angst, noch weniger von seinen Kindern zu haben, wenn er die Autorität mit seiner Partnerin teilt.

Ein großes Dilemma. Noch schlimmer wird die Situation, wenn die Elternteile sich untereinander spinnefeind sind. Hat der Vater stets die unterschwellige Angst, die Kinder an die Ex-Frau zu verlieren, arbeitet die auch noch mit allen Mitteln an der negativen Beeinflussung der Kinder, wird es für die Vizemutter sehr schwer, eine positive Einstellung zu den Besuchswochenenden zu bewahren.

Mutter und Stiefvater sind die Belange von Vater und Stiefmutter oft egal. Manchmal freuen sie sich sogar darüber, der Vizemutter und dem Vater „eins auswischen“ zu können. Sagen, es sei ja nicht ihr Problem, wenn deren Wochenende furchtbar sei.

Dem widerspreche ich energisch. Für Kinder ist es eine echte Katastrophe, wenn die vier Bezugspartner uneinig oder gar zerstritten sind. Wenn Mama ihnen sagt, von der neuen Frau müssten sie sich gar nichts sagen lassen. Und Papa am Wochenende zum Wunscherfüllungsautomat mutiert. Die Spätfolgen für die Kinder sind meist gar nicht abzusehen.

Die Vizeeltern sind selten in der Lage, daran etwas zu ändern. In diesem Fall sind Vater UND Mutter gefragt. Statt sich gegenseitig den schwarzen Peter zuzuschieben, sollten die ihre persönlichen Befindlichkeiten zugunsten der Kinder hinten anstellen. Mütter könnten einen Schritt auf die Stiefmütter zugehen, ihnen Unterstützung statt Feindschaft anbieten. Und Väter könnten lernen, dass die Liebe ihrer Kinder nicht von Geschenken oder Ignoranz jeglichen Fehlverhaltens abhängt.

Stellen Sie sich als getrenntes Elternteil einmal folgende Frage: Möchte ich, dass meine Kinder später einmal andere Menschen wie niederes Personal behandeln, oder möchte ich, dass sie respektvoll mit ihrer Umwelt umgehen? Falls Sie die zweite Variante bevorzugen, sollten Sie Ihren Kindern auch den Respekt für die Vizemutter ans Herz legen. Ohne Verlustängste (Vater) oder Stutenbissigkeit (Mutter).

Ich werde in den nächsten Wochen den Spagat, den eine Vizemutter lebt, näher beleuchten. Auch auf die weiteren Kategorien Vizemütter werde ich eingehen: Die, die mit den Kindern leben und die, die die Kinder nie zu Gesicht bekommen, da die Mutter PAS betreibt.

Wie immer gilt auch hier: Ausnahmen bestätigen die Regel! Und ich freue mich über Input.

9 Kommentare
  1. Dani
    Dani sagte:

    Hier kann ich zum Glück auch von deutlich positiveren Erfahrungen sprechen… Der große hat und sieht ins uns seine zweite „heile“ Familie.
    Ich habe ihn mit 3 Jahren kennengelernt und er hat mich überraschenderweise sofort ins Herz geschlossen. Das hat sich bis heute (fast 9) zum Glück nicht geändert und darüber bin ich sehr froh. Mein Freund hat das gute Verhältnis immer unterstützt und auch wenn er öfter mal was mit ihm alleine unternimmt (was ich beiden von Herzen gönne!) so machen wir doch auch vieles als Familie (mit der mittlerweile dazugekommenen kleinen Schwester) zusammen.
    Er darf bei uns definitiv nicht alles und wir zeigen ihm auch wann immer es notwendig ist (müssen wir zum Glück gar nicht oft) unsere Grenzen…kurz gesagt, er wird behandelt wie unsere gemeinsame Tochter. Ich bin daher sehr gerne Stief- bzw. Bonusmutter für den Großen!

    Auch wenn ich vieles was die KM tut nicht nachvollziehen kann, so muss man ihr jedoch zu Gute halten, dass sie ihren Sohn bisher zumindest nie gegen mich aufgehetzt hat, klar es kamen mal blöde Sprüche, die ich aber unter „Eifersüchteilei“ und nicht ernsthaft abgestempelt habe.
    Wir kämpfen jedenfalls stets gemeinsam um den Intrigen der KM oder auf GU 😉 mehr oder weniger entgegenzutreten…

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  2. Nadi
    Nadi sagte:

    Wie es auch funktionieren kann:

    Ich habe meinen Partner kennengelernt, die beiden älteren (erwachsenen) Kinder paralell ziemlich von Anbeginn an beim Fortgehen kennengelernt. Sie waren beide von Anfang an total offen mir gegenüber. Sie wussten ziemlich schnell dass ich die Neue bin, obwohl es am Anfang unausgesprochen blieb.
    Angst hatte ich vor den beiden jüngeren. Die eine mitten in der Pubertät, der kleinste in der Grundschule. Die Kinder wohnen zwar bei ihren Müttern, allerdings ist der Kontakt zum Papa nicht nur auf die Wochenenden beschränkt. Zb bringt er die Tochter jeden Tag in die Berufsschule, der kleine schläft zwei Tage Pro Woche bei ihm. Sie spielen eine große Rolle in seinem Leben und ich hatte Angst dass sie mich ablehnen könnten und daran die Beziehung scheitern könnte.
    Aber meine Angst war völlig unberechtigt. Mein Partner hat zum kennenlernen einen gemeinsamen Urlaub geplant, wir haben eine wirklich tolle Zeit verbracht. Sohnemann schlief bei Papa im Zimmer, ich mit der Tochter. Teeny ist eine ganz liebe, sohnemann ein wenig vorlaut, wird aber vom Papa schon auch schon mal in seine Schranken verwiesen.
    Anlässlich des Urlaubs musste ich auch Kontakt zur „First“ haben. Teenys Handy hatte kein Roaming und war am ersten Abend traurig weil sie nicht mit ihrer Mama schreiben konnte. Ich hab ihr dann die Nutzung meines Telefons angeboten, worüber sie sich sehr gefreut hat. Seitdem schrieb mich Mama mich immer an um mit der Tochter zu schreiben. Sie wirkte im Messenger eigentlich ganz nett.
    Zurück vom Urlaub, ich hab die Tochter einmal von der Schule abgeholt und zur Mama gebracht weil Papa verhindert war, meinte die Tochter doch gleich dass Mama gesagt hat ich soll noch mit rauf kommen auf einen Kaffee. Jetzt fand ich das erst mal irritierend dass mich „eine Exfrau“ auf Kaffee und Kuchen einlädt. Das konnte ich Teeny gegenüber aber nicht äußern, also ging ich ihr zuliebe mit nach oben obwohl ich mich nicht wohl in meiner Haut fühlte, schließlich kannte ich die Frau ja noch nicht mal. Aber ich habe ihr eine faire Chance gegeben, schließlich hat sie mir ja nix getan. Es hat sich sogar mit der Zeit eine Freundschaft zwischen uns entwickelt, wir unterstützen uns gegenseitig, ich bin oft bei ihr auf Kaffee.
    Beim jüngsten bzw seiner Mutter ist es etwas anders. Das was sie gemacht hat (meinem Partner gegenüber) darüber kann ich nicht hinwegsehen, (ich möchte es aber aus gründen der Privatsphäre hier nicht anführen, da es denke ich wenig vergleichbaren scheiss geben wird, den ein Mensch jemandem anderen antun kann). Nur soviel, ich kann darüber nicht hinwegsehen. Dem kleinen zuliebe weil es wird immer seine Mama (seine Heldin) bleiben bemühe ich mich um einen respektvollen Umgang mit ihr und keine bösen Worte über sie. Sie dürfte Auch nicht schlecht über mich sprechen, ich bemerke keinerlei Loyalitätskonflikt beim sohnemann, er mag mich, unternimmt auch mal gerne was mit mir und seiner Schwester alleine,…
    Erziehungstechnisch halte ich mich komplett draus. Bei den älteren fungiere ich schon mal als Ratgeber. Der jüngste bekommt vom Papa die Regeln wenn er bei uns ist, und auch mal strenge Worte wenn er mal zu übermütig, frech usw ist. Nur wenn ich mit ihm alleine bin, sag ich ihm schon mal wenn mir was nicht passt, da hört er dann aber auch auf mich.

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      • Nadi
        Nadi sagte:

        Ja, aber mir ist auch bewusst, dass das Glück ist. Dass alle Beteiligten hier so „erwachsen“ sind, und jeder seinen Beitrag leistet.

    • Dani
      Dani sagte:

      Kurz zum Verständnis, hat dein Mann Kinder von verschiedenen Frauen? Das macht es ja doppelt kompliziert.
      Ich finde es großartig, dass du ein gutes Verhältnis zur Mutter hast. Das wünschte ich mir auch.
      Habt ihr denn auch noch ein gemeinsames Kind?

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  3. Stepmum69 (Susanne)
    Stepmum69 (Susanne) sagte:

    Auch ich bin eine Teilzeitstiefmutter, nur sieht es bei uns so aus, dass die Tochter (9) meine Mannes alle 14 Tage für fast eine Woche (außer dem Donnerstag) bei uns ist. Ich war am Anfang wohl etwas zu blauäugig und habe das Thema unterschätzt. Um jetzt alles zu schildern, würde hier den Rahmen sprengen. Nur so vie, ich schaffe es nicht mehr und bin sehr am Verzweifeln über die Situation und wie mit mir umgegangen wird.

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    • Kerstin
      Kerstin sagte:

      Ich lasse einen kleinen Trost hier, auch wenn du denkst, dass dein Erlebtes hier den Rahmen sprengt.
      Ich denke mal, dass sehr, sehr, sehr viele Stiefmütter blauäuig die Situation einfach unterschätzen… „Ach, dass mit dem Kind, dass schaff ich doch SPIELEND!“ Das Ausmaß sämtlicher kleinen und großen Katastrophen konnte man bis zu dem Moment nicht mal erahnen, als man voller guter Gedanken und Dinge in die Situation kam..
      Vielleicht schaffst du es ja, dass du Susanne deine Geschichte schreibst und veröffentlichen lässt. Es würde mich sehr interessieren.
      Alles Gute für Dich – lass dich nicht unterkriegen 😉 .

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