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Stiefmutter oder Vizemutter?

Was klingt besser: Stiefmutter oder Vizemutter? Das Wort „Stiefmutter“ an sich scheint genauso negativ behaftet zu sein, wie das Image allgemein. Woran liegt das?

Unabhängig von jedem Klischee ist es zunächst einmal eine rechtliche Definition. Im deutschen Familienrecht wird als „Stiefmutter“ die nicht leibliche Mutter der Kinder des Ehepartners bezeichnet. Eine Ehe ist Voraussetzung, um vor dem Gesetz Stiefmutter zu sein.

Übrigens ist die allgemein vorherrschende Meinung falsch, dass Stiefeltern und Stiefkinder nicht familiär verbunden wären. Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt nämlich in § 1590: „Die Verwandten eines Ehegatten sind mit dem anderen Ehegatten verschwägert. Die Linie und der Grad der Schwägerschaft bestimmen sich nach der Linie und dem Grade der sie vermittelnden Verwandtschaft.“


Das wird unter anderem beim Thema „Tod“ oder bei einer Aussage vor Gericht wichtig. Stiefkinder haben zwar keinen Anspruch auf ein Erbe der Stiefeltern, bekommen jedoch, so sie im Testament vermerkt wurden, den gleichen steuerlichen Freibetrag wie leibliche Kinder. Und sie haben, genauso wie Stiefeltern, vor Gericht ein Zeugnisverweigerungsrecht, müssen also nicht aussagen.

Diese rechtliche Haarspalterei hat für das schlechte Image der Stiefmutter wenig Bedeutung. Aber woran liegt es, dass der Begriff so verpönt ist? Beeinflusst Schneewittchen immer noch unser Denken? Unterstellen wir Stiefmüttern, die Kinder stiefmütterlich eiskalt zu behandeln? Sie wie Aschenputtel schuften zu lassen, oder gar den Gifttod im Hinterkopf zu haben? Ich hoffe nicht, bin mir allerdings nicht sicher.

Stiefmütter selbst sehen sich komplett anders. Sie sind meist sehr offen für die Kinder, geben sich große Mühe auf sie und den Mann einzugehen. Bloß kein Trauma entstehen lassen, so eine Scheidung oder Trennung der Eltern ist ja eine schwere Last. Moderne Stiefmütter lesen Erziehungsratgeber und versuchen, alles richtig zu machen. Politisch korrekt nennen sich viele Frauen Bonusmutter und sprechen von Bonuskindern. Mir persönlich gefällt beides genauso wenig wie Stiefmutter. Bezeichne ich mich als Bonusmutter muss ich dafür sorgen, ein Bonus, ein zusätzlicher Gewinn für meine Stiefkinder zu sein. Und sie natürlich auch für mich. Eine große Last und Verantwortung, die mit diesem Anspruch einhergehen kann.

In der französischen Sprache ist die Stiefmutter die „belle-mère“, die „schöne Mutter“. Schon besser, oder? Allerdings entsteht da vielleicht die Assoziation der „neuen, jungen Schnepfe, die der Mutter den Mann ausgespannt hat“. Auch nicht immer vorteilhaft.

Mein persönlicher Favorit ist Vizemutter oder Vizemom. Das Wort spiegelt auch eine Rangordnung wider. Sowohl für die Kinder, als auch für die leibliche Mutter. Vizemutter gesteht der Frau an Papas Seite eine gewisse Wertigkeit zu, eine Position in der Familien-Hierarchie, ohne der leiblichen Mutter etwas wegnehmen zu wollen.

Was denken Sie?

4 Kommentare
  1. Judith Stiehle
    Judith Stiehle sagte:

    Wir leben seit sechs Jahren in einer Patchwork-Familie mit zwei plus zwei Kindern im Alter zwischen 8 und 25 – mittlerweile sind die „Großen“ ausgezogen, die „Kleinen“ kommen alle zwei Wochen und jeweils die Hälfte aller Ferien.
    Ich sehe mich selbst dabei überhaupt nicht als Mutter der Kinder meines Mannes – in welcher Form auch immer. Die Kinder haben bereits eine Mutter, und so sollen die beiden das auch erleben. Ich bin die Frau ihres Vaters, gerne ein Mensch, der den beiden nahe steht und für sie da ist, aber überhaupt keine Art von Mutter-Ersatz.
    Das funktioniert für uns alle gut, denn viele Probleme treten damit gar nicht erst auf, da alle Rollen nach wie vor klar definiert sind. Das erscheint mir ernorm wichtig, sowohl für die Kinder als auch für alle beteiligten Erwachsenen.
    Letztlich muss aber jede Familie ihren eigenen Weg finden, mit der immer sehr individuellen Situation zurecht zu kommen …

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    • Kerstin
      Kerstin sagte:

      Sehe ich auch so – ich bin die Frau des Vaters. Ich bin weder für ihre schulischen Leistungen noch für die Entwicklung im allgemeinen und an und für sich verantwortlich, noch interessiert meine Meinung in Bezug auf gesundheitliche Einschränkungen.
      Vielleicht interessiert das meinen Mann sogar an guten Tagen, dennoch hat er keinen Spielraum selbst etwas ändern zu können.

      Von daher sind die Kinder nicht meine „Stiefkinder“, sondern es sind die Kinder meines Mannes. SEIN Besuch, für den er bitteschön auch Zeit und Energie haben möge (zumindest in erster Linie ER, denn er ist der Verantwortliche zumindest in dem Moment).

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  2. Berit Gerwin - Heiß
    Berit Gerwin - Heiß sagte:

    Sehr interessanter Artikel…..

    ich bin „Stiefmutter“ und habe diesen Begriff schon als Kind gehaßt.
    Vizemutter oder Vizemom find ich echt Klasse.
    Lasse mich vom Kind mit Vornamen ansprechen, doch für die Allgemeinheit ist Vizemutter oder Vizemom wesentlich positiver besetzt meiner Meinung nach.
    Liebe Grüße von der Unterweser

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